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101 Tage führte mich diese Reise durch Indien,um letzten Endes bei mir selbst anzukommen um mich im Spiegel zu erkennen und sagen zu können:

Ja, das bin ICH und in diesem Kerl da erkenne ich mich wieder.

Gleichzeitig spürte ich die Bedeutungslosigkeit meiner Ängste und Sorgen. Viele haben sich in Indien als selbst gefaltete Papiertiger enttarnt und sind im Schalle meines Lachens der Erkenntnis davongetragen worden.

Als ich nach über 3 Monaten in Varanasi ankam, spürte ich, dass ich innerlich bei mir selbst angekommen war. Nichts galt es mehr zu verändern, ich fühlte mich frei!

Eigentlich war es ein unbeschreiblicher innerer Zustand, wahrscheinlich war ich glücklich. Glücklich auch mit all meinen Umständen, die ich ständig versuchte zu ändern.

Von den berührendsten Momenten dieser Reise gibt es komischerweise keine Aufnahmen.

Was mich auch wieder sehr viel lernen lässt, ist, dass es die inneren Aufnahmen und Erfahrungen sind und deren Essenzen, auf die es ankommt.

Die Essenzen sind es, was wir, unsere Seelen irgendwann in eine andere Welt mitnehmen werden, nicht mehr, aber auch nicht weniger.

In dem vorliegenden Indien Reiseblog habe ich versucht, den roten Faden dieser Reise sichtbar zu machen.

„Was jemand in Indien findet,
hängt vor allem davon ab,
was er dort sucht oder zu suchen hat.“

Werner Sprenger aus Asche und Wiedergeburt

PROLOG – Gedanken vor meiner Indienreise

Indien – allein der Name ist wie eine Melodie, ein Mantra für mich. Es bringt in meinem Innersten etwas zum Schwingen, lässt etwas in Resonanz treten. Lange Zeit war Indien unerreichbar für mich und gleichzeitig wiederum in meinen täglichen Meditationen und meiner spirituellen Ausrichtung so nahe wie meine Halsschlagader.

Meine Sehnsucht nach Indien war eigentlich schon an meiner Pinnwand für unerfüllte Träume gelandet, zumindest in diesem Leben, bestenfalls im nächsten Leben.

Als ich am 23.03.2011 nach einer schweren Krankheit ein neues Leben geschenkt bekommen habe, erfuhr ich eine bis dato nicht gekannte Freiheit. Damit war die Möglichkeit,wieder auf Reisen gehen zu können,verbunden und der erste Impuls war, auf eine lange Weltreise zu gehen. Das fühlte sich anfangs sehr aufregend an, schlug dann in turbulent um, da ich

In einem stillen Moment kam dann die klare Durchsage „INDIEN – Jetzt ist der richtige Zeitpunkt“. Na klar, mir fiel es wieder mal wie Schuppen von den Augen. Jetzt ist die Zeit für mein Indien gekommen. In den letzten 2 Jahrzehnten stapeln sich hier die Bücher und DVDs über Indien. Nun ist Praxis-Time, endlich vorbei die graue Theorie, vorbei das stundenlange Betrachten von Bildbänden, TV-Berichten, Lesen von Büchern von Leuten, welche in Indien waren. Jetzt geht´s los. Eintauchen in die 4D-Welt, ich möchte es spüren, fühlen, riechen können in der ganzen Bandbreite. Ich möchte mich ergreifen lassen von allem, was unser Leben hier ausmacht, bis hin zum Sterben. Von den Gegensätzen in Indien, welche für uns Westeuropäer undenkbar sind, möchte ich mich faszinieren und schockieren lassen, aber genau das wird mein Bewusstsein erweitern und mich dem Leben, meinem Leben, näher und tiefer bringen.

Und so wird sich, so wünsche ich es mir zumindest, in Indien ein weiterer Kreis schließen und sich etwas in meinem Leben vervollständigen. Mein eigentlicher Höhepunkt und das Ziel (wenn es so etwas wie ein Ziel auf dieser Reise überhaupt gibt, da ich aus reinem Vergnügen reise) dieser Unternehmung wird die Dargha meines geliebten Sufi-Lehrers Pir Vilayat Inayat Khan in Delhi sein. Deshalb werde ich meine Reise Pir Vilayat widmen, und in Anlehnung an sein Buch „Der Ruf des Derwisch“ lautet das Motto meiner Reise „Der Ruf meines Herzens“.
Er lehrte uns immer wieder: „Passen Sie gut auf, was Sie sich wünschen, am Ende bekommen Sie es noch!”ebenso sagte er:  „Jede Sehnsucht finde ihre Erfüllung, wenn sie von Herzen kommt, egal ob in dieser oder in einer anderen Welt.”

Soul-Traveller | Indien Reiseblog Route

Die Route quer durch Indien

 

EINTAUCHEN – Der indische Bann

„Jede Reise hat eine geheime Bedeutung, von welcher der Reisende selbst nichts weiß.“

Martin Buber

Kontrastreiche Tage und Planlosigkeit, wahrscheinlich verursacht von dem Gigantismus in Dubai, spülen mich nun im Schutze der Nacht auf den indischen Kontinent. Eigentlich kann ich es nicht fassen, nach all den Träumen und Geschichten zum ersten Mal indischen Boden unter meinen Füssen zu haben, irgendwie fühle ich mich nicht fremd, auch wenn ich sicherlich herausleuchte zwischen all den Indern am Flughafen und ich alles andere ausschaue als ein Inder.

Das Gefühl schlägt auf der Taxifahrt vom Flughafen nach Fort Cochin etwas um. Cochin erwacht gerade, wird lebendig oder das, was von der Nacht noch übriggeblieben ist, wird sichtbar. Die Kontraste steigen und sind schwer zu fassen und einzuordnen. Mein indischer Taxifahrer unterhält mich abwechselnd mit Fragen, ob sein Englisch gut sei, ich ihn verstehe und welche Route ich im Süden nehme (das gehen wir gefühlt 10x durch) – und, dafür liebte ich ihn wieder, sang er mir Lobeshymnen zu einem Swami auf malayalamisch. Zum Schluss musste ich natürlich immer applaudieren. Irgendwann hielt er einfach, um einen Kaffee zu trinken, eine zu rauchen und was auch immer für aufputschende Substanzen zu sich zu nehmen, da er mir doch sehr lebendig für 4 Uhr in der Früh erschien. Ich war zu kaputt dafür.

Die ersten Eindrücke sind heftig und anders und doch gleich wie in meinen Vorstellungen. Auf der einen Seite fühle ich mich wie in einem üppigen Regenwald, uralte, riesige Bäume umsäumen das Viertel von Fort Cochin. Auf der anderen Seite tummeln sich Hunde und Katzen am Strandzwischen den Fischern und hoffen auf ihren Anteil. Das stimmte mich gleich sehr versöhnlich trotz diesem, für mich ärmlichen Bild, dass die Inder auf den ersten Blick tierfreundlich sind. Dieser wurde wahrlich bestätigt, als mich beim Frühstücken eine sehr junge, verspielte Katze bestens unterhalten hatte. Als ich mich verabschiedete, war die Katze so frech und legte sich auf den Tisch – und ich dachte, das war’s nun für die Mieze, jetzt bekommt sie sicherlich Ärger. Aber nein, im Gegenteil, der Besitzer stellte mir stolz seine Katze samt Namen vor.

 

Viypeen Island

Blick von Fort Cochin nach Viypeen Island

   

   

NULLPEGEL – Jenseits der Stille

„Nur in der Stille hörst du die Stimme deines Herzens von seiner wahren Sehnsucht erzählen.“

Kurt Hörtenhuber

Sicherlich eines der Highlights in Kerala sind die Backwaters. Subtropische Flora säumt ein Netz aus Flüssen, Seen und Lagunen. Es war einfach unglaublich schön. Zusammen mit Florence aus dem Schwarzwald genoss ich diese stillen Momente. Florence hat wahrlich die Welt schon gesehen und ist auch immer alleine unterwegs. Mutig, sagte ich zu ihr. Sie kennt es nicht anders, entgegnete sie mir. Und so haben wir ein Teil unseres Schicksals gleich und sind uns wahrscheinlich auch deshalb begegnet und hatten so eine gute Zeit zusammen. Wahrscheinlich ergeben sich solche Begegnungen auch leichter, wenn man alleine unterwegs ist. Ich war auf jeden Fall noch keinen Tag alleine oder fühlte mich einsam, wie konnte ich auch, in einem Land, in dem die Götter so präsent, fast greifbar sind wie in meinem geliebten Indien.

So gleiten wir meditativ durch die Flussläufe bis hin zum großen See, dann durch eine Lagune, machen Halt im Land der Palmen (KER-ALA), lernen alles über Pfeffer (Reifestufen: grün-rot-weiß-schwarz) und Kokosnüsse und deren Verarbeitung.
Passt also auf, wenn Ihr wieder mal jemand dahin wünscht, wo der Pfeffer wächst – das ist nämlich mitten im Paradies.

Backwaters in Kerala

Die Stille der endlosen Backwaters in Kerala

 

GRÜNTÖNE – Die endlose Reise durch die Hills

„Am liebsten aber sah er die Schöne in einem grünen Gewand, denn Grün tragen die Paradiesesmädchen und die Engel im Himmel. . “

Nizami

Als wir Cochin mit seinen 7 Mio. Einwohner hinter uns lassen, wird es langsam ländlicher, die Straßen schmaler, kurviger und der Verkehr verdichtet sich aufgrund der Enge. So genieße ich die Fahrt und die schöne Szenerie, welche an mir vorbeirauscht. Irgendwann wird es anstrengend, da immer mehr Kurven aufeinander folgen und der Pass hoch nach Munnar beginnt.

Im Eravikulam National Park geht es mit indischen „Shuttlebussen“ den Berg rauf und runter, was bei uns im Westen niemals funktionieren würde. Die

Eravikulam National Park

Eravikulam National Park

Kombination aus Geschwindigkeit, steile und enge Straßen und keine Leitplanken fordern meine Nerven.
Im hinteren Abteil werde ich nach wenigen Minuten von einer indischen Schulklasse belagert. Mit dem Englisch ist es noch nicht so weit her, aber „from“ und „name“ kommen immer zielsicher. Was folgte war, dass ich heute das Fotoobjekt der Begierde bei den Jungs war. Der Reihe nach zückten sie ihre Handys und es wurden Fotos und Filmchen bis zum Abwinken gemacht.

Oben angekommen überwältigte mich eine fantastische Aussicht über die Hills und die Teeplantagen. Grüntöne in allen erdenklichen Farbschattierungen.

Kaum einen Augenblick später trudelt wer ein?  Natürlich, meine indische Schulklasse mit ihrem Lehrer im Schlepptau. Aber diesmal sollte ich nicht so einfach davonkommen, so muss ich wahrscheinlich für alle Fotos, die ich hier schon mit Indern gemacht habe, gleich in diesem Leben Abbitte leisten. Es war eine Fotosession der Extraklasse und der Lehrer wurde kurzerhand zum Fotograf erklärt. So verabschiedeten wir uns erneut, aber was ich dort noch nicht wusste, wir sollten uns bald, sehr bald wiedersehen. . .

Stille breitete sich aus und so schweiften meine Blicke meditativ über die Hills. Ich spürte die Welt und war eins mit ihr.

Nach dem Lunch war ich noch an dem Stausee am Echo Point. Ich fühlte mich irgendwie wie im Allgäu, als es auf einmal von hinten erklingt: „Germänny. . .“
Meine indischen Freunde waren natürlich auch eingetrudelt, da es ja nicht so ist, dass ich den See heute als erster entdeckt hätte. Eine weitere Fotosession lehne ich dankend ab und hole mir eine frische Kokosnuss und spaziere um den See.

Von Cochin nach Munnar

Von Cochin nach Munnar

Hier zeige ich dir meine aktuelle Foto-und Videoausrüstung mit der ich unterwegs auf Reisen bin. Kompakt und leicht  trifft auf Qualität- und Wunschvorstellung. In diesem Artikel verrate ich dir meinen Kompromiss. . .

TOTALITÄT – Die Gegensätze heben sich auf

Madurai am späten Abend war dann der krönende Abschluss und empfing mich mit seiner hässlichsten Fratze. Laut – dreckig – chaotisch. Eine geballte indische Offensive und an diesem Tag definitiv eine Spur zu viel für mich. Das Hotel konnte aber diesem Tag unglaublicherweise noch einen draufsetzten. Trotz mehrmaligem Anmerken gleich beim Einchecken, dass ich ein sehr ruhiges Zimmer brauche, gab der Portier mir eins zur Straßenseite hin, welche die Main Junction war. Vollkommen entnervt musste ich das Zimmer wechseln. Das neue Zimmer war dann eine Stufe leiser, allerdings dunkel wie die Nacht und glich eher einer Besenkammer als einem Hotelzimmer für das man bezahlt. Und ein Badezimmer – ohne Worte!

Als Begrüßung von den Göttern in Madurai wurde ich erst einmal entgiftet. Shiva packte mich und nahm mich in den Würgegriff. Irgendwann wachte mit Fieberschüben und schweißgebadet mitten in der Nacht auf. Mir war elendigst übel und die Erleichterung folgte auf schnellem Fuße, sodass für weitere Überlegungen keine große Zeit war. Danach fühlte ich mich unglaublich befreit, aber gleichzeitig auch leer und kraftlos.

So konnte oder musste ich die vergangenen Tage etwas setzen lassen und begann das Buch von Wolf-Dieter Storl „SHIVA – Der wilde, gütige Gott“ zu lesen. Dieses Buch habe ich speziell für Madurai mitgenommen und es passte wieder einmal haargenau. Hier bekam ich alle Antworten. Ich fand mich in seinen Zeilen wieder und las alles Weitere zu den unzähligen Hindu-Göttern, ausgehend und im größeren Zusammenhang mit Shiva. Alles machte auf einmal wieder Sinn und gehörte zusammen.
Langsam kamen die einzelnen Lebensgeister nach über 10 Stunden Schlaf zurück. Allerdings mit starker Abneigung gegen indisches Essen und somit verhielt ich mich äußerst zurückhaltend in diesem Punkt. Am Nachmittag zog es mich dann doch in den SRI-MINAKSHI-TEMPEL, wegen dem ich eigentlich in Madurai bin. Zu Fuß machte ich mich auf und als ich vor dem Westtower stand, bekam ich eine Gänsehaut bei 28°!

Nach der Morgenmeditation mache ich mich mit der Autorikscha auf den Weg ins Gandhi Museum, welches in einer fantastischen Außenanlage und in einem noch viel schöneren, weißen Gebäude mit einem mittigen Kuppeldach liegt. Hier kehrt endlich etwas Ruhe und Stille ein!

Mit den Worten von Albert Einstein setze ich mich in den Peace Park:

„Zukünftige Generationen werden kaum glauben können, dass ein Mensch aus Fleisch und Blut wie er jemals auf dieser Erde gewandelt ist.“

Beim Nachsinnen dieser Worte spüre ich Gandhis Schmerz, wie einfach seine Lehren doch waren und immer noch sind und wie wenig wir Menschen davon leben. Was Gandhi uns gelehrt und vorgelebt hat, könnte uns den Weltfrieden bringen und so bleibt Gandhi für mich einer meiner wichtigsten Lehrer.

Die Tempelmeditationen und Rituale werden tiefergehend und vertrauter. Mit zugesprochen Mut von Vinod traute ich mich heute durch die Schranke zum innersten Ring des Tempels vor. Da ich ja mittlerweile die gleichen Hindurituale praktiziere, fühle ich mich zumindest wie ein halber Hindu und bin ja seit Jahren mit Ganesha, Hanuman, Durga, Krishna sehr verbunden und meine täglichen Sanskrit-Chants richten sich an diese. Nun ja, kaum hatte ich natürlich den ersten Fuß über der Schwelle, stürmte ein Ordner von hinten an und ermahnte mich, dass Ausländer keinen Zutritt haben. Wohl sehr überzeugend aus meinem Herzen heraus entgegnete ich ihm: „I´am a Hindu“und mit einer Handbewegung ließ er mich passieren und ich war im inneren sakralen Ring.

Alles war in Frieden, ich war in Frieden mit mir selber. Die extremen Gegensätze in Indien, wie ich sie persönlich in Madurai erlebt habe, schienen aufgehoben. Alles war Eins und ich war gleichzeitig so fest geerdet auf dem Boden, wie ich mich nicht erinnern kann in meinem Leben, als hätte ich 4 Füße. SHIVA legte seine Arme um mich!

Shree Maikeseh Tempel

Shree Maikeseh Tempel in Madurai

 

BEGEISTERUNG – Verzauberte stille Fluchtimpulse

„Vieles von dem, was ich nicht für möglich hielt, habe ich auf Reisen erlebt.“

Werner Spengler aus Asche und Wiedergeburt

Nach dem fast schon üblichen Eingangsritual des Zimmerwechselns, da mir das 2. Zimmer dann doch nicht gefiel und passte, wechselte ich zurück ins 1. Zimmer, da das 3. sowieso keine Option war. Das 1. ist zwar lauter und zum eigen Badezimmer muss ich über den Flur – ist aber um Längen besser. Ja, Indien ist immer ein Kompromiss.

Als ich um 2Uhr in der Nacht auf die Toilette musste und anschließend wieder zurück aufs Zimmer wollte, drehte sich mein Schlüssel 360° im Schloss im Kreis herum, aber keine Tür ging mehr auf und somit stand ich leicht bekleidet im Flur. In der Rezeption im 5. Stock war jedoch jemand und irgendwie huscht hier in diesem Hotel immer einer durch die Flure, sehr kurios, aber charmant – I like it. – Mit einem Generalschlüssel bewaffnet rückte der Nachtwächter dem Schloss auf die Pelle, welches dann sofort kapitulierte.

Nehme den heutigen Schwung mit in den Tag und starte mit Fähre nach Elephanta Island. Die Fähre tuckert sehr gemütlich in über einer Stunde durch

Gateway of India von der Fähre aus

Gateway of India von der Fähre aus

unzählige Öl- und Containerschiffe rüber nach Elephanta Island. Durch die ersten Händler und Guides, welche einen auf Elephanta Island in Empfang nehmen, fahre ich mit der kleinen Puff-Puff Bahn bis zum Fuß des Hügels. Der Haupttempel offenbarte eine umwerfende Kombination aus Höfen, Hallen, Säulen und Schreinen, welche alle Shiva geweiht sind. Die über 6m hohe Statue des Sadhashiva in der Mitte der Höhle verzauberte mich im Moment des ersten Anblicks und die davon ausgehende Schwingung war deutlich zu spüren.

Am späten Nachmittag mache ich mich dann wieder auf den Heimweg, fahre schwarz mit der kleinen Bimmelbahn zurück zur Fähre. Auf der Rückfahrt habe ich eine exzellente Unterhaltung und viel Spaß mit einer indischen Familie, mei –  konnten die lachen! Die frisch verheiratete Tochter konnte ganz gut Englisch und so ging es wie immer um die gleichen Themen. Heirat, Familie und Religion – und natürlich nicht ohne, ich nenne es ab jetzt die TF5IQ (The First 5 India Questions) abzuhandeln.

a.) Where you from?

b.) What´s your name?

c.) Are you married?

d.) Why you´re alone?

e.) What´s your profession?

Und so verabschiedeten wir uns sehr herzlich, bevor ich ziemlich groggy in Leopolds Café eintrudele, wo die ganzen Businessworker schon da sind, um sich das 3L Yard (3 Liter Biersäulen mit eigenem Zapfhahn unten dran) einzuverleiben.

Central Station in Mumbai

Central Station in Mumbai

 

VERZAUBERT – Frieden schließen

„Du findest Deinen Seelenfrieden nicht, indem Du dem Leben aus dem Weg gehst.“

Virginia Wulf

Immer mehr treffen die Worte von Werner Spengler und Virginia Wulf für mich und meine Indienreise zu. Mumbai hat mich gerüttelt, die Extreme sind doch allzu groß, vor allem in den Suburbs im nördlichen Teil von Mumbai.

Vor ein paar Tagen sagte ich noch:

„…ich weiß nicht, ob ein Mensch all diesen Dreck und dieses Elend sehen muss…“

Heute sage ich: „…ich bin froh es gesehen zu haben, da es mich verändert und dieser Prozess hält an, was am Ende irgendwann davon übrigbleibt, kann ich nicht sagen…“

Mumbai

Mumbai

WUNSCHERFÜLLUNG – Inmitten des indischen Chaos werde ich ruhig

Nizmaduin Viertel Dargha Hazrat Inayat Khan

Nizmaduin Viertel Dargha Hazrat Inayat Khan

„So, I will just say that you can find yourself —
you can find me in your heart;
and I can say, I can find you in my heart.
God bless you.”

Pir Vilayat lnayat Khan, Suresnes, 27 January, 2004

 

Kann man in ein Bett verliebt sein? Ja, man kann! Nun ja, mein Bett im Ashram des Atmasantulana Village und ich haben uns bestenfalls akzeptiert und uns zweckmäßig toleriert, weiter ging unsere Freundschaft aber nicht. Als ich nun in mein steriles Zimmer im Bloomroom in Delhi kam und die Matratze testete, konnte ich mich gar nicht mehr einkriegen. Ich lag wie auf einer samtweichen Wolke eingehüllt. Ich sank zentimeterweise in die Matratze nach unten ein, um mich herum drei Kissen, alles ganz neu und frisch. Auch das ist Indien!

Es zog mich gleich ins Nizamuddin Viertel an die Dargha von meinem geliebten Pir Vilayat. Das Viertel ist sehr ärmlich und hat eine muslimische Prägung. Zuerst ging es an der pompösen Nizamuddin Dargha vorbei, weiter zur Hazrat Inayat Khan Dargha. Beim Eintreten in die Dargha verwandelt sich alles. Ganz nach der Inspiration von Hazrat Inayat Khan erscheint alles in Liebe, Harmonie und Schönheit. Die Dargha von Pir ist nicht am gleichen Platz und der „Darghawächter“ begleitet mich und zeigt mir den Weg durch die verwinkelten Gassen – hätte es nie alleine gefunden.

Pir´s Dargha ist sehr schlicht und klein, vielleicht ein Spiegel seiner Persönlichkeit; aber in sich Schönheit ausstrahlend. So meditiere ich und versinke in stiller Zwiesprache mit Pir. . .

Zu meiner Stimmung passte heute der Besuch des Gandhi Smiriti, der Platz in Delhi, wo Gandhi von einem Fanatiker 1948 erschossen wurde. Der Platz, oder besser gesagt die Gebäude und der Garten, strahlt so hell und ein Friede liegt in all diesem. Mahatma ist sicherlich sehr zufrieden damit. Im vorderen Gebäude hat Gandhiji die letzten Monate seines irdischen Lebens verbracht und im anliegenden Garten immer seine Reden und Prayers abgehalten. Seine letzten Schritte wurden auf dem Weg dargestellt, bis zu der Stelle, an der er von einem religiösen Fanatiker erschossen wurde. An dieser Stelle steht nun ein Pavillon und eine Art Gedenkstein in der Form eines Obelisken. Dieser Platz lässt mich eine tiefe Verbundenheit zu ihm spüren.

Nizmaduin Viertel Dargha Hazrat Pir Inayat Khan

 

BURNOUT – Die erotischen Reliefs der schönsten Tempelkunst der Welt erwarten mich

„. . .Tantra ist die Wissenschaft, normale Liebende in Seelengefährten zu verwandeln. . .
Du musst den tantrischen Geist trinken – es ist keine Technik, die man lernen kann. . .“

Osho

Khajuracho beherbergt wahrscheinlich einige der schönsten Tempel Indiens. Aber besonders die freizügigen Reliefs haben Khajuracho berühmt gemacht. Es werden verschiedene Geschichten dargestellt von Göttern und Göttinnen, Krieger, Musiker sowie echte und mythische Tiere spielen darin die Hauptrollen. Zwei Aspekte wiederholen sich andauernd: Frauen und Sex. Ein echter Blickfang.

Allerdings macht sich eine Art „Sightseeing Burn-Out“ bei mir breit und ich bin wirklich froh, dass das vorerst den letzten Punkt auf meiner Liste darstellt! Somit relaxe ich am Nachmittag in meinem Hotel Harmony, einem von Sannyasins geführten Hotel im schönen Garten im Innenhof und Sofas. Die Temperaturen waren weit über der 36° Marke und lassen somit auch nichts anderes mehr zu als einen  Abendspaziergang mit meinem Fahrer Khem zu dem Jain-Tempel.

Khajuracho

Die „Porno-Tempel“ in Khajuracho 

 

KASHI – Die heilige Stadt an der Ma Ganga

Heute geht es, Gott sei Dank, auf die letzte Etappe mit dem Auto. In Varanasi angekommen überschlagen sich plötzlich die Ereignisse. Mein Guesthouse liegt in der Altstadt direkt am Meer Ghat, welches für Autos und Autorikschas gesperrt ist, d.h. ich muss den letzten Kilometer irgendwie zurücklegen, und das mit meinem Gepäck! Mein Fahrer machte keine großartigen Anstalten mehr, mir in dieser Situation zu helfen, sondern forderte sein Trinkgeld für die Fahrt. Als ich ihm ein überdurchschnittliches Trinkgeld gegeben habe, zeigte er sich nicht erfreut und meinte, das sei zu wenig – ich gab ihm dann noch etwas, aber ohne ein großartiges Dankeschön ist er abgerauscht.

Mittlerweile saß ich in einer Fahrradrikscha mit meinem ganzen „Rummel“, ebenso fing es das erste Mal in 3 Monaten Indien an zu regnen! – Welcome to Varanasi! Auf einmal in diesem ganzen Getümmel war ein weiterer, gut englischsprechender Inder neben der Rikscha, welcher meine Lage natürlich erkannt hat (das genau ist sein Business). Er bot mir freundlichst seine Dienste an. Nachdem ich mehrmals nachgefragt habe, was das kosten soll, sagte er irgendwann 250Rs und dann war unsere Beziehung auch schon wieder beendet; – mittlerweile verhandle ich mit diesen dreisten Gaunern gar nicht mehr, es macht einfach keinen Spaß.

Wie auch immer, wir fahren also erstmal durch die chaotische Altstadt von Varanasi. Ich habe nur den Job, mein Gepäck auf der Rikscha zu halten – und an dieser Stelle nur soviel: Varanasi schießt in allen Belangen den Vogel ab! Das kann nur einer nachvollziehen, der schon einmal in Varanasi war.

Irgendwann ging es mit der Fahrradrikscha auch nicht mehr weiter. Dass sich die Dinge wie immer nahtlos fügen, kann ich nicht meinem Organisationstalent

24 Stunden Pujas und Rituale am Ufer des Ganges

24 Stunden Pujas und Rituale am Ufer des Ganges

zuschreiben, da ich zu diesem Zeitpunkt keine gewinnbringenden Gedanken mehr zustande bekomme. Und so nahm mich mehr oder weniger ein weiterer „Guide“ in Empfang, keine Ahnung, wo der wieder auf einmal herkam, aber die warten wohl auch schon irgendwo. Nach kurzem Verhandeln, da es mittlerweile nun in Strömen regnete, schnappe er meinen Koffer auf seinen Kopf und –schwupp-  ging es auch schon durch die engen Gassen. Keine Ahnung links-rechts-links; irgendwann standen wir vor einem kleinen, nichts sagenden Eingang mit dem Schild „Ganpati Guesthouse“. Und tatsächlich, im Innenhof präsentierte sich das richtige Guesthouse. Erleichterung und Dankbarkeit breitete sich aus und diese 40 Rs. für meinen Träger waren mehr als gut angelegtes Geld – das Guesthouse hätte ich alleine bis heute nicht gefunden. . .

Genauso hat mich Varanasi begrüßt und dass ich nach fast über 3 Monaten auf Reisen nun in Varanasi angekommen bin, erfüllt mich mit großer innerer Dankbarkeit und ich kann es kaum fassen. Es macht mich sehr stolz und ich bedanke mich bei meinem Mut, durch den ich auch immer wieder die Kraft bekam weiterzugehen und die berühmte indische Notbremse nicht gezogen habe.

Dieses innere Glücksgefühl, welches sich in mir ausbreitet, fühlt sich eigentlich gar nicht spektakulär an, sondern eher wie eine Art ruhige Zufriedenheit, in der alles gut ist, so wie es ist und es nichts gilt es zu ändern, sondern nur dankbar annehmen was ist. Wie wenn ein Pendel langsam zur Ruhe kommt und nur noch ganz fein und leicht um den Mittelpunkt kreist.

Als ich den Ganges, die Ma Ganga, vom Dachrestaurant des Ganpati zum ersten Mal überblickte, ging etwas Magisches von ihr aus und auf mich über. Als würde sie mir so etwas zuflüstern wie:

„. . . ja genau – da bist du ja wieder mein Lieber. . . “

Ma Ganga in Varanasi - spürbare Magie

Ma Ganga in Varanasi – spürbare Magie

Online-Fotokurs Empfehlung

Bist du auf der Suche nach Online-Fotokurs um mit Spaß fotografieren zu lernen?

Dann schau dir mal den Online-Fotokurs von Jenny und Basti an! Meine absolute Empfehlung, wenn es um ganz viel Spaß, Soul und #Kameraliebe beim Lernen gehen soll.

EPILOG – Der Fluß ändert seine Richtung

Indien Face-to-Face

Indien Face-to-Face

Heute nach nun mehr 100 Tagen auf Reisen ist es an der Zeit Abschied zu nehmen. Für mich ist es kein Ende von irgendetwas, sondern nur eine kleine Richtungsänderung meines Flusses, auf dem Weg dem EINEN entgegen – welche hoffentlich nur kurz weh tut!

Gehen kann ich ohne Wehmut, aber mit einem Herz voller Dankbarkeit, dass ich diese Reise machen konnte und an all die mir begegneten Menschen, welche ein Teil meiner Reise mit mir mitgegangen sind und ich neue Freunde gefunden habe, wir werden uns wieder begegnen.
Komischerweise hat mich das Alleine reisen niemals einsam fühlen lassen. Im Gegenteil, ich wurde mit unglaublich herzlichen Begegnungen bereichert, welche nur das Soloreisen bereitstellen kann.
Letztlich vergingen die 101 Tage so schnell wie Rauch, der durch ein Schlüsselloch zieht.

 

 

„ . . .Es braucht nur ein wenig Mut!
Das Wichtigste ist die Eigenständigkeit,
die Möglichkeit das zu werden was du bist
und das ist erreichbar!

Was?

Sein ganz eigenes Leben zu leben!
Ein Leben, dass nur dir gehört,
ein Leben in dem du dich wieder erkennst.. . .“

 

Tiziano Terzani im Dialog mit seinem Sohn Folco – adaptiert von Amrit

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